Fallbeispiel - 3

Einzelschicksal Nr. 3 - Rentnerehepaar B.


Das Rentnerehepaar B. lebt auf seinem ehemaligen Bauernhof in Altengronau.
Ein arbeits- und entbehrungsreiches Leben ist an den heute fast 75-jährigen Leuten nicht spurlos vorübergegangen. Herz- und Kreislaufprobleme, Sehschwäche und andere Leiden führten in den letzten Jahren zu häufigeren Krankenhausaufenthalten. Trotzdem wollen die beiden nicht unzufrieden sein und versuchen mit ihren ca. 1.500,-- DM Rente über die Runden zu kommen.
Ihr Haus mit entsprechenden Nebengebäuden befindet sich im Hüttenweg, für welches die beiden im Nov. 2000 zu einem Kanalanschlußbeitrag von etwa 12.500,-- DM herangezogen wurden. Um diesen fristgerecht begleichen zu können, mußten sie sich ein Darlehen aufnehmen, das sie bis heute mit etwa 160,-- DM im Monat aus ihrer Rente heraus wieder abtragen müssen.

Außerhalb des Ortes (und des Flächennutzungsplanes) befindet sich aus der Zeit ihres aktiven Landwirtslebens ein relativ großes Wiesengrundstück auf dem eine Feldscheune und mehrere Geräteschuppen ungenutzt und mittlerweile überflüssig geworden, dahinfristen.
Für dieses Grundstück wurden die beiden zu einem Kanalanschlußbeitrag von ca. 75.500,-- DM herangezogen.

Dagegen sprechen alle nachfolgenden Gründe:

Es ist kein Bauland, das Grundstück liegt außerhalb der Ortslage und der Baulinie des Flächennutzungsplanes.
Das Grundstück hat tatsächlich keinen Kanalanschluß erhalten.
Der Kanal verläuft im etwa 70 Meter entfernten Hüttenweg und wäre auch bei bestem Willen nur über weitere fremde Nachbargrundstücke zu erreichen.
Das Grundstück hat keinen Wasseranschluß, somit fällt auch kein Abwasser an, und eine Anschlußpflicht nach der gemeindeeigenen Entwässerungssatzung besteht nicht.
Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Rentnerpaares ist nicht gegeben, daher würde die Veranlagung auch gegen die Hessische Gemeindeordnung verstossen.
(Wie soll diese riesige Summe aus der kleinen Rente und zudem für eine alte Scheune !!!! bestritten werden ? Der Wert der alten Scheune steht in keinem Verhältnis zu den Beiträgen !)

Aus diesen genannten Gründen legte das Ehepaar B. Widerspruch ein und bat die Gemeinde um Überprüfung der Angelegenheit.
Die Gemeinde schenkte den berechtigten Argumenten des Ehepaares B. insoweit Beachtung, daß sie von einem Teil der Beitragsforderung absah und den Rest von immer noch mehr als der Hälfte der 75.500,-- DM stundete, bis das Grundstück irgendwann verkauft, vererbt oder bebaut (geht sowieso nicht !) werden wird.
Den Bescheid für die direkte Weitergabe der Hausanschlußkosten hob die Gemeinde ganz auf,
weil sie wohl einsehen mußte, daß ein Hausanschluß ja tatsächlich nie verlegt wurde !!
Auf welcher Rechtsgrundlage die Reduzierung der Beiträge beruht, bzw. worauf sie eigentlich die Aufrechterhaltung der restlichen Beträge stützt hat die Gemeinde bisher verschwiegen.
Neue Bescheide wurden bisher nicht ausgestellt, es wurden lediglich durch einen Brief die alten Summen abgeändert !

Um sich gegen die, zwar reduzierten, aber immer noch total ungerechtfertigten Beitrags-bescheide zu wehren hatte das Rentnerehepaar B. vor dem Verwaltungsgericht in Frankfurt Klage erhoben, die zusammen mit weiteren über 70 Klagen von Sinntaler Bürgern im Januar 2004 verhandelt wurde.
Nachdem das Gericht in Frankfurt alle Verfahren zusammenfasste und gemeinsam aburteilte, ging es unglücklicherweise nicht auf die grundstücksspezifisch aufgetretenen Probleme ein, sondern wies auch diese Klage zusammen mit den anderen Klagen ab.
Das Ehepaar ist nun gezwungen, sein Recht vor dem Verwaltungsgerichtshof in Kassel einzufordern und weiterhin Aufregungen und Ärger, sowie finanzielle Belastungen auf sich zu nehmen, obwohl sie damit finanziell total überfordert sind, und deren Gesundheit derartige Aufregungen schon lange nicht mehr zuläßt.
Nachdem die Originalbescheide nie abgeändert waren, wurden vom Gericht hier als Streitwert natürlich die ehemals 75.500,-- DM eingesetzt, aus denen heraus das Ehepaar nun zunächst ca. 3.500,-- DM Gerichtskosten zu bezahlen hat.

Die Verzweiflung des Ehepaares ist sehr groß, sie wissen nicht mehr wie sie dies alles bewältigen sollen ! Sie erwarten täglich Zwangsmaßnahmen durch die Gerichtskasse in Frankfurt, weil sie die Gerichtskosten nicht bezahlen können !
„Wir schaffen das nicht mehr ! “ und „So kann man nicht mehr weiterleben ! “ sind die Aussagen, die die Verzweiflung des Ehepaares deutlich machen.
Sie können nicht verstehen, warum man ihnen all dies antut, und ihnen auf ihre alten Tage noch einmal solche Schulden aufbürdet.


Wir von der IdBiS mühen uns fast täglich, diesem Ehepaar mit Rat und Tat zur Seite zu stehen
und ihnen die Situation erträglicher zu machen, vor allen Dingen die Angst vor den Behörden zu nehmen !
In einem entsprechenden Schreiben an die Gemeinde haben wir diese aufgefordert, sich noch einmal gründlich und vor allen Dingen schnell um den Fall zu kümmern.
Wir baten darum, mit dem Rentnerehepaar Kontakt aufzunehmen und ihnen in ihrer Verzweiflung irgendwie weiterzuhelfen.
Dies blieb jedoch leider erfolglos !!

Die einzige Resonanz aus dieser Aufforderung war ein Anruf der Gemeinde (Sachbear-beiter Heiko Kress im Auftrag des Bürgermeisters) bei Familie B., der zum Inhalt hatte, daß sie doch ihre Klage beim Verwaltungsgerichtshof in Kassel zurückziehen sollten, weil diese sowieso sinnlos und ohne Aussicht auf Erfolg sei !!
Zudem wurden Tochter und Schwiegersohn der Fam. B. vom Bürgermeister persönlich angesprochen, doch in dieser Weise auf die Familie einzuwirken, damit diese von ihrer Berufungsklage absehen !



Und es ist Bürgermeister Heberling tatsächlich gelungen, das Ehepaar davon zu überzeugen, dass es absolut zwecklos sei, einen Berufungsprozess gegen die Gemeinde zu führen, weil dieser keinerlei Aussicht auf Erfolg habe.
Das Ehepaar hat daraufhin den Anwalt beauftragt, den Antrag auf Zulassung der Berufung wieder zurückzunehmen.
Jetzt haben sie natürlich eine entsprechende Kostenrechnung des Gerichtes, sowie eine Rechnung des Anwaltes von bald 2000 Euro erhalten. Wie sie das bezahlen sollen, wissen sie nicht!

Und die Aussichten auf eine erfolgreiche Berufung und somit auch auf Kostenersatz aller Instanzen stehen wirklich nicht schlecht!!!

Aber nicht mehr für Fam. B.!!!


P.S.

Die Herz- und Kreislaufprobleme der Rentnerin B. hatten sich so weit
verschlimmert, daß sie Mitte August 2006 verstarb. Ihr völlig verzweifelter Ehemann ist nur wenige Tage danach freiwillig aus dem Leben geschieden.

Niemand mag für eine solche Verzweiflungstat Schuldzuweisungen machen,
es ist jedoch anzunehmen, daß die massive, finanzielle Belastung durch die Sinntaler Beitragsbescheide mit Sicherheit ihren Beitrag zum Schicksal der beiden Rentner geleistet hat.

Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in Kassel, die am 07.09.2006 gefällt werden soll, kam für sie leider zu spät!

Die Reaktion der Gemeinde auf unsere Veröffentlichung sieht so aus:

reaktion der gemeinde